Achsen [2]

[67] Achsen für Eisenbahnfahrzeuge dienen zur Aufnahme der Räder von Lokomotiven, Tendern und Wagen mittels der Achsenköpfe und tragen die Achslager mittels der Zapfen, Achsschenkel oder Achshälse. Die Teile zwischen den Achsenköpfen und Zapfen heißen Achsschafte. Im allgemeinen werden die Achsen durch Rotationsflächen mit einer gemeinsamen Drehungsachse begrenzt. Nur die gekröpften Achsen weichen hiervon ab. Diese finden bei Lokomotiven mit innenliegenden Zylindern Anwendung, wobei die gekröpften Teile der Achse die Kurbelzapfen zur Aufnahme der Treibstangenlager bilden. Bei den Achsen der Wagen, der Tender und der Lokomotiven mit Außenrahmen befinden sich die Zapfen an beiden Enden, bezw. außerhalb der Räder, bei Lokomotiven mit Innenrahmen liegen sie dagegen innerhalb der Räder.

Als Material der Achsen dient Tiegelguß-, Bessemer- oder Martinstahl, seltener noch Schweißeisen. Die Herstellung der geraden Achsen geschieht in der Weise, daß der rohe Stahlblock von achtkantiger Form mit einer Dicke gleich dem dreifachen Durchmesser der fertigen Achse unter dem Dampfhammer ausgeschmiedet wird. Zuerst erfolgt das Strecken des Rohblocks, darauf das Rundschmieden und sodann das Ausschmieden der Achsschenkel. Nachdem die fertiggeschmiedete Achse im Flammofen bei niedriger Hitze nochmals geglüht ist, läßt man sie unter Bedeckung von Asche langsam erkalten und bearbeitet sie dann weiter auf der Drehbank. Der Gewichtsverlust beim Schmieden beträgt etwa 30% der fertiggeschmiedeten Achse, die in allen Durchmessern eine 10 mm größere Dicke als die fertiggedrehte Achse erhält. – Zur Herstellung der gekröpften Achsen oder Kurbelachsen wird ein schwach pyramidaler Stahlblock von 700–800 mm im Quadrat gebildet, dessen Länge im Verhältnis zum Durchmesser wie 1:1 bis 11/2:1 steht und dessen Gewicht etwa doppelt so groß ist als das der fertigen Achse. Zur bequemeren Handhabung ist der Stahlblock mit einer angegossenen Stange versehen. Bei der ersten Totalhitze erfolgt das Ausschmieden des Rohblocks auf ein Prisma von der annähernden Länge der Rohachse, von der Bruttokurbeldicke und der Bruttokurbelhöhe. In der zweiten Totalhitze werden die Teile AA, A1A1, BB (Fig. 1a und 1b) unter dem Dampfhammer mittels des Schrotmeißels herausgearbeitet und außerdem die Lochungen CC, C1C1 vorgenommen. In einer dritten und vierten Teilhitze findet das Rundschmieden der Achsenenden statt. In einer fünften Hitze wird der zwischen den Kurbeln liegende Achsenteil weißwarm gemacht, die eine Kurbel mittels des Dampfhammers festgehalten und die andre Kurbel mittels eines angeschraubten langen Hebels und mit Hilfe des Hebekrans um 90° gedreht. Der so verdrehte Achsenteil wird nach einer sechsten Hitze sauber behämmert. Zur weiteren Bearbeitung gelangen die Achsen sodann auf die Hobel- und Drehbänke [1]. – Ueber die Untersuchungen, die mit den fertigen Achsen angestellt werden und die Bedingungen, denen die Achsen bei der Abnahme entsprechen müssen, s. Achsproben.

Bei der Berechnung der Achsen hat man zu unterscheiden zwischen solchen, die lediglich zum Tragen dienen, nämlich den Wagenachsen, Tenderachsen und Laufachsen der Lokomotiven, und solchen, die zum Tragen und Antreiben der Lokomotiven dienen, nämlich den Treib- und Kuppelachsen der Lokomotiven. Erstere werden lediglich auf Biegung in Anspruch genommen, letztere auf Biegung und Verdrehung.

Es soll zuerst eine Achse berechnet werden, die lediglich zum Tragen dient und bei der außerdem die Zapfen an beiden Enden liegen. Die Zapfen haben eine Entfernung von Mitte bis Mitte L (Fig. 2), einen Durchmesser d, eine Länge l. Der Abstand von Mitte Zapfen bis[67] Mitte Rad sei a, der Abstand von Mitte Rad bis an das äußere Ende des Achsenkopfes c und bis an das innere Ende der Nabe b, der Halbmesser des Rades sei r. Der Abstand von Mitte bis Mitte Rad sei s und der senkrechte Schwerpunktsabstand des Fahrzeugs über der Achse h. Es sei ferner Q die Last, die von einer Achse zu tragen ist. Dazu kommt noch eine Horizontalkraft F beim Durchlaufen der Fahrzeuge durch die Kurven, infolge der Fliehkraft, die lieh durch den Druck der äußeren Schiene gegen den Spurkranz geltend macht, sobald die Geschwindigkeit des Fahrzeugs größer ist, als der Ueberhöhung der äußeren Schiene entspricht. Infolge dieser am Hebelarme r angreisenden Horizontalkraft F stellt sich nach den Gleichgewichtsbedingungen der Zapfendruck des äußeren Zapfens auf Q/2 + H(h/L) und der senkrechte Raddruck des äußeren Rades auf Q/2 + H(h + r/s), während auf der gegenüberliegenden Seite die von F abhängigen Glieder negativ sind. An jeder Stelle muß das Widerstandsmoment der Achse mindestens gleich der Summe der für diese Stelle geltenden Biegungsmomente sein. Setzen wir den Durchmesser an beliebiger Stelle D und bezeichnen die Summe der Biegungsmomente mit MB, so ist MB = σπ/32 ∙ D3 zu setzen und


Achsen [2]

worin σ die zulässige Beanspruchung der Flächeneinheit bedeutet. Bei Berechnung der Zapfen muß σ kleiner angenommen werden als für die übrige Achse, weil der Zapfen der Abnutzung unterworfen ist. Für die Berechnung ist außerdem die richtige Wahl des Oberflächendrucks von großer Wichtigkeit, weil einerseits die Abnutzung mit dem Flächendrucke wächst und nicht zu groß werden darf, und weil anderseits das Heißlaufen der Zapfen vermieden werden muß. Läßt man einen Zapfen längere Zeit in seinem Lager laufen, bis er sich völlig eingelaufen hat, so wird er in der Richtung des resultierenden Zapfendrucks sich in das Lager einarbeiten. Da nun im eingelaufenen Zustande die Normaldrücke proportional der Dicke der Abnutzungsschichten des Lagers sein müssen, so ergibt sich der Normaldruck ρ an beliebiger Stelle, deren Radius mit der Richtung der Resultierenden den < a einschließt, p = pocosα, wenn po den Flächendruck in der Richtung der Resultierenden, also für α = 0 bedeutet (Fig. 3a u. 3b) . Nimmt man an, daß der Flächendruck in der Richtung der Zapfenachse gleichmäßig verteilt sei, so wird ein unendlich schmaler Streifen dl/2 einen Vertikaldruck d/2 ∙ lpcosα aufnehmen. Ist daher der Bogen der Auflagerfläche 2 d1 und der Zapfendruck P, so muß stattfinden


Achsen [2]

Wird der Bogen der Auflagerfläche

2 α1 = π so wird


Achsen [2]

und


Achsen [2]

Soll der Zapfen so berechnet werden, daß die zulässige Beanspruchung auf Zug δ und der zulässige Druck p0 nicht überschritten wird, so hat man nur zu setzen MB = P(l/2) = (σπ/32)d3, woraus durch Vereinigung mit der vorstehenden Gleichung folgt:


Achsen [2]

Nach § 171 der technischen Vereinbarungen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen und nach § 38 der Normen für den Bau und die Ausrüstung der Haupteisenbahnen Deutschlands sind die Bruttolasten Q pro Achse angegeben, die bei Zapfen von gewissen Abmessungen, Länge l und Durchmesser da zulässig sind. Diese Angaben beziehen sich also auf solche Zapfen, bei denen die Spannung σa und der Flächendruck poa infolge der Abnutzung den höchsten zulässigen Wert erreicht haben. Aus diesen für Flußstahl gemachten Angaben berechnet sich σa = 6,6 kg pro 1 qmm, poa = 0,0047 da, da = 2,2 3∛ Q2 und l = 19,2√da. Neue Zapfen muß man mit entsprechend größerem Durchmesser versehen, während die Länge als unveränderlich betrachtet werden kann. Zur Berechnung neuer Zapfen bei Flußstahlachsen erhält man den vorerwähnten Angaben der technischen Vereinbarungen sich gut anschließende Werte, wenn man setzt: σn = 4,4 kg per 1 qmm, pon = 0,0035 dn, dn = 2,54 5√Q2, l = 17,8√dn.

Für die Achsen der Personen-, Gepäck- und Postwagen soll eine um 20% verminderte Bruttolast für die Achse angewendet werden. Der übrige Teil der Achse außer den Zapfen ist der Abnutzung nicht unterworfen; man kann daher der Rechnung eine Spannung σ = 6,6 kg zugrunde legen, wie für den abgenutzten Zapfen. Bei Anwendung von Schweißeisen sind die Belastungen um 16% zu vermindern. Das größte Biegungsmoment findet lieh auf der Innenseite der Nabe. Unter Beibehaltung der oben angenommenen Bezeichnungen ist dasselbe


Achsen [2]

Von der Innenkante der Nabe nimmt das Biegungsmoment bis zur Mitte der Achse ab, wo es zu


Achsen [2]

wird. Die entsprechenden Durchmesser berechnen sich nach der Formel D1 = 1,155∛ MBI, bezw. D2 = 1,155√MBII,[68] doch soll die Stärke in der Nabe bei den Achsen der Personen-, Post- und Gepäckwagen nicht unter 115 mm betragen. – Die Achsenköpfe werden zur besseren Beteiligung der Räder schwach kegelförmig gestaltet nach einer Neigung 1:400. Zwischen Achsenkopf und Zapfen befindet lieh ein zylindrischer Schaft, dessen Durchmesser durch die zu beiden Seiten der Achsschenkel nötige Anlaufstärke von 15 mm bedingt wird. Die Normalachse der preußischen Staatsbahnen für Personenwagen und für Güterwagen mit 5 t Ladegewicht pro Achse erhält folgende Hauptabmessungen:

L = 1956 mm α = 230 mm

l = 170 mm d = 95 mm

D1 = 131 mm D2 = 120 mm

Bei den Achsen für 7,5 t Ladegewicht wird l = 200, d = 110 gesetzt.

Bei Lokomotivlaufachsen, deren Achsschenkel innerhalb der Räder liegen, kann man die Horizontalkraft F vernachlässigen, weil sie das Biegungsmoment der Achse vermindert. Das größte Biegungsmoment liegt hier auf der Innenkante des Achsschenkels und ist MB = Qa/2 zu setzen, wenn a den Abstand von Mitte Rad bis Mitte Achsschenkel bedeutet. z

Lokomotivtreibachsen für Innenrahmen [2] erhalten Halslager innerhalb der Räder, während die Radsterne mit Naben zur Aufnahme der Kurbelzapfen versehen werden. Die von den Dampfmaschinen ausgeübten Drehmomente werden daher unmittelbar auf die Räder übertragen, so daß die Achswellen ebenso wie die Laufachsen lediglich auf Biegung berechnet werden können.

Treibachsen mit außenliegenden Rahmen werden an den Enden der Achswellen mit aufgesetzten Kurbeln versehen, die bei Güterzuglokomotiven so eingerichtet sind, daß ihre Naben die Lagerflächen zur Aufnahme der Achslager bilden. Es sind dies die sogenannten Hallschen Kurbeln. Bei Personenzuglokomotiven erhalten die Achswellen Halslager, während die Kurbeln außerhalb derselben auf die Achswellen aufgezogen werden (Fig. 4). Bei den Hallschen Kurbeln läßt sich nämlich der Zapfenabstand kleiner ausführen und damit zugleich ein geringerer Abstand der Zylindermitten erreichen, was für Güterzuglokomotiven wegen der tiefliegenden Dampfzylinder von großer Wichtigkeit ist, damit sie nicht in das Normalprofil des lichten Raumes hineinreichen. Im zweiten Falle liegen die Dampfzylinder höher und reichen deshalb nicht so leicht in das Normalprofil des lichten Raumes. Hier zieht man es deshalb vor, die Lager auf die Achswellen selbst zu setzen, um geringe Zapfendurchmesser und damit zugleich geringere Reibungsverluste zu erzielen. Bei den Treibachsen mit Außenrahmen macht sich der Einfluß des wagrechten Spurkranzdruckes F in derselben Weise geltend wie bei den oben besprochenen Wagenachsen, weshalb auch die Biegungsmomente MB bezogen auf die senkrechte Ebene in derselben Weise zu ermitteln sind. Dazu tritt aber noch das Drehmoment Mτ = Pρ, das durch den Schub P der Schubstange auf den Kurbelzapfen an dem Hebelarm, bezw. dem Kurbelhalbmesser ρ hervorgerufen wird. Die Durchmesser der Achswelle sind daher nach der Formel


Achsen [2]

zu ermitteln. Zu prüfen bleibt dabei, ob an keiner Stelle durch den Schub P in der wagrechten Ebene ein größeres Biegungsmoment als das in der senkrechten Ebene gefundene herbeigeführt wird, weil sonst dies Moment der Rechnung zugrunde gelegt werden müßte.

Treibachsen mit gekröpften Kurbeln kommen bei Lokomotiven mit Innenzylindern zur Anwendung. Der Einfluß des wagrechten Spurkranzdruckes wirkt hier günstig auf das Biegungsmoment ein und kann deshalb vernachlässigt werden. Ist Q die Achsbelastung und a der Abstand von Mitte Rad bis Mitte Lager (Fig. 5), so ist das Biegungsmoment in der Welle zwischen den Lagern MB = (Q/2)a. Die stärkste Beanspruchung auf Torsion findet statt, wenn beide Kurbeln bei ausgelegter Steuerung um 45° gegen die mittlere Schubrichtung geneigt flehen. Bei einem Schubstangendruck P und einem Kurbelhalbmesser ρ ist alsdann das Drehmoment rund Mr = 0,7 Pρ. Diese Werte für MB und Mτ sind zur Berechnung des Wellendurchmessers D in die Gleichung


Achsen [2]

einzuführen. In der Regel wendet man für die Treibachsen der Lokomotiven für Hauptbahnen Achswellen von 180–190 mm an.


Literatur: [1] Heusingers Handbuch für Eisenbahntechnik, Bd. 3, S. 735. – [2] Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen 1879, S. 206 u. 315.

Albert Frank.

Fig. 1a, Fig. 1b.
Fig. 1a, Fig. 1b.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3a, Fig. 3b.
Fig. 3a, Fig. 3b.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 67-69.
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